Shakti im Spital in Anandaban (Bild: Sabrina Dangol).

Shakti findet Licht nach der Dunkelheit

Neue Hoffnung nach Lepra: «Ich will zeigen, dass ich wieder laufen kann»

Im Krankenhaus von Anandaban schenken Pflegekräfte einem jungen Mädchen, das aufgrund von Lepra ein Bein verlor, neue Hoffnung. Ihr Einsatz geht über die medizinische Hilfe hinaus, sie kämpfen auch gegen Ausgrenzung.

Shakti war gerade einmal vier Jahre alt, als rote Flecken auf ihren Beinen auftauchten. Sie war ein lebhaftes, neugieriges Kind, geboren in eine arme Bauernfamilie im Terai, einer Tieflandregion im Süden Nepals. Sie litt unter Schmerzen, Ausschlägen und Wunden, die nicht heilten. Und dann begann das Umherirren: Viele Jahre lang zog sie von einem Krankenhaus zum nächsten, ohne dass jemand die Ursache fand. Erst mit 14 erhielt sie die Diagnose: Lepra.

«Ich hatte Angst und war verzweifelt», erinnert sie sich an diesen Tag. Denn die Krankheit verursacht nicht nur körperliches Leid, sondern auch Ausgrenzung, die ebenso schmerzhaft ist. Die Nachbarn verboten ihr den Kontakt zu ihren Kindern. Die Blicke der anderen veränderten sich, man mied sie. Doch ihre Familie blieb an ihrer Seite. Ihre liebevollen, mutigen Eltern gaben sie nicht auf. Als das Geld für weitere Behandlungen ausging, brachten sie Shakti ins Anandaban-Krankenhaus. Und dort änderte sich alles.

Der zerplatzte Traum

Mit 16 kommt Shakti nach Anandaban, klug, zielstrebig und mit dem Traum, Ärztin zu werden. Sie hat gerade die wichtige Abschlussprüfung der zehnten Klasse bestanden. Doch die durch Lepra verursachte Infektion hat sich auf den Knochen ausgebreitet. Die Ärzte müssen eine schwerwiegende Entscheidung treffen: Um ihr Leben zu retten, muss das Bein unterhalb des Knies amputiert werden.

Für Shakti bricht eine Welt zusammen. Ihr Traum scheint verloren. «Ohne mein Bein kann ich keine Ärztin werden. Aber ich will trotzdem lernen, arbeiten und unabhängig sein.»

«Ich will zeigen, dass ich wieder laufen kann»

In Anandaban ist Shakti von einfühlsamen Menschen umgeben. Ärzte, Pflegekräfte, Berater und Prothesentechniker begleiten sie mit Fürsorge und ermutigenden Worten.

Sie wird wieder aufgerichtet. Shakti bleibt nach der Operation mehrere Monate im Krankenhaus. Dort erhält sie nicht nur eine hochwertige medizinische Versorgung, sondern auch menschliche Wärme. Urmila, eine Mitpatientin und neue Freundin, flechtet ihr im Sonnenschein die Haare. Krishna, der Prothesentechniker, nimmt geduldig Mass und erklärt ihr jeden Schritt der Rehabilitation. Das Team bereitet ihren Körper auf die Prothese vor und spricht mit ihr über ihre Zukunft.

«Ich kann es kaum erwarten, meine Prothese zu bekommen. Ich möchte nach Hause zurückkehren und allen zeigen, dass ich wieder laufen kann – vor allem meinen Geschwistern.»

Früherkennung rettet Leben

Wäre Shaktis Lepra früher erkannt worden, hätte sie ihr Bein vielleicht behalten können. Eine bittere, aber wichtige Wahrheit. In Anandaban arbeiten Forscher deshalb an innovativen Lösungen: Schnelltests per Smartphone und die frühe Behandlung von Geschwüren. Diese Fortschritte könnten das Leben von Tausenden Kindern, Frauen und Männern – wie Shakti – grundlegend verändern.

Denn noch immer leiden viele Menschen im Stillen, weil ihnen eine Diagnose oder die nötigen Mittel fehlen. Lepra ist und bleibt eine Krankheit der Armut und des Vergessens.

Shakti gewinnt neue Kraft

Einige Monate nach der Amputation kehrt Shakti kurz nach Hause zurück. Sie trifft ihre Familie, strickt eine Mütze für das Baby ihrer Schwester und schreibt sich für die elfte Klasse mit Schwerpunkt Wirtschaft ein. Der Traum, Ärztin zu werden, ist in die Ferne gerückt – aber sie blickt nach vorn. Sie lächelt. Und geht ihren Weg weiter. Jeden Tag stellen sich die Pflegekräfte in Anandaban einer grossen Aufgabe: Sie heilen, trösten und geben Menschen wie Shakti neues Selbstvertrauen. Ihre Arbeit verändert Leben.

Wir als Schweizer Hilfswerk engagieren uns in mehreren Ländern, darunter Nepal, für Aufklärung, medizinische Versorgung, dem Eindämmen der Verbreitung und der langfristigen Heilung von Lepra.